Published On: Januar 3rd, 2021Categories: MGR Buchtipp

„Maria Stuart“

Ein Trauerspiel von Friedrich Schiller

 

Ein Konflikt zweier Königinnen, welcher nicht nur private Differenzen, sondern auch unterschiedliche Religionen und Lebenseinstellungen als Ursache hat – genau darum geht es in dem Drama „Maria Stuart“, welches im Jahre 1800 von Friedrich Schiller veröffentlicht wurde und in welchem es um den Disput zwischen der schottischen Königin Maria Stuart, welche dem Drama ihren Namen leiht, und der englischen Königin Elisabeth Tudor, welche im Buch nur Elisabeth genannt wird, geht. Erstere katholisch, zweitere evangelisch. Die eine besonders auf privater Ebene erfolgreich, die andere eine Herrscherin, welche besonders unter dem großen Druck ihrer Machtposition und den damit einhergehenden Pflichten leidet. Das Drama lässt sich in die Zeit der Epoche der Klassik einordnen und steht vor allem auf der Deutungsebene in starker Verbindung zu Schillers Menschenbild. Des Weiteren basiert das Drama auf wahren historischen Ereignissen, wurde aber in bestimmten Aspekten von Schiller für die Bühne angepasst und „ausgeschmückt“. Lohnt es sich also auch noch in der heutigen Zeit, jenes Werk zu lesen? Folgende Frage inklusive meiner eigenen Meinung wird im Folgenden diskutiert und weitgehend beantwortet.

Die Handlung begleitet Maria Stuart, die eigentliche Protagonistin des Dramas. Maria floh aus ihrer ehemaligen Heimat Schottland, nachdem sie angeklagt wurde Mittäterin bei der Ermordung ihres Ehemannes zu sein. Wie viel Schuld Maria wirklich trägt, bleibt offen, weshalb sich die Frage stellt, ob Maria wirklich als Sympathieträgerin des Dramas herhalten kann. Bei ihrer Ankunft in England wird Maria sofort verhaftet, anstatt in Schutz genommen, da sie Ansprüche auf den englischen Thron hegt und damit ihrer Verwandten, Königin Elisabeth, ein Dorn im Auge ist.
Die eigentliche Handlung setzt jedoch 18 Jahre später an.
Maria hat die letzten 18 Jahre in Gefangenschaft gelebt und lediglich Kontakt zu ihren engsten Vertrauten, wie beispielsweise ihrer Amme Kennedy, gepflegt. Nun aber sieht sie sich mit der immer näherkommenden Hinrichtung konfrontiert, welche ihr Leben ein für alle Mal zu beenden droht. Schafft Maria es also ihre bevorstehende Hinrichtung abzuwenden und sich aus ihrer Gefangenschaft zu befreien? Eine Konfrontation der beiden Königinnen, welche in den letzten 18 Jahren niemals stattgefunden hat, soll Maria ihrem Ziel näherbringen. Maria erfährt hierbei Unterstützung durch viele andere Figuren des Dramas. Doch auf welcher Seite steht der Graf von Leicester, welcher sich augenscheinlich beide Frauen als potentielle Partnerin warmhalten möchte? Und welche Rolle spielt der scheinbar wahnsinnige Mortimer, welcher seine Liebe zu Maria beteuert und diese mit allen möglichen Mitteln aus ihrer Gefangenschaft retten möchte, koste es was es wolle? Schafft Maria es, am Ende ihrer Hinrichtung zu entkommen oder bleibt die kaltblütige Monarchin Elisabeth auf dem Thron Englands?

Im Vordergrund des Dramas stehen vor allem die unterschiedlichen Charaktere der beiden Königinnen, aber auch die Nebencharaktere. Als Protagonistin haben wir die eingesperrte Maria, welche als ehemalige Königin von Schottland trotz ihrer Gefangenschaft eine Führungsperson für ihre Gefolgschaft ist. Maria ist streng gläubig und bereut die Sünden ihrer Vergangenheit, auch wenn diese nicht genau benannt werden. Aus diesem Grund ist es auch schwierig, Maria als Sympathieträgerin zu bezeichnen. Trotz ihres meist ruhigen Gemüts, ihrer Besonnenheit und ihrer Freundlichkeit weiß man nicht genau, in wie weit die Anschuldigungen wirklich auf sie zutreffen. Marias Charakter wird vor allem dadurch interessant, dass sie, obwohl sie zum Zeitpunkt der Handlung die schwächere der beiden Königinnen ist, was reine Macht angeht, ihrer Rolle als Frau und Königin wesentlich gerechter wird als ihre Konkurrentin. Sie wird als überdurchschnittlich schön beschrieben und hat viele Verehrer, eine Tatsache, die auch den Verlauf der Handlung maßgebend prägt. Es lässt sich also sagen, dass Maria trotz der Umstände zufrieden in ihrer Haut ist.
Auf der anderen Seite haben wir Elisabeth, die Königin von England. Ihr Charakter wird dadurch ansprechend, dass ihre Haltung im direkten Widerspruch zu ihrer Position steht. Elisabeth leidet unter den Werten der Gesellschaft und scheitert in ihrer Rolle als Frau auf ganzer Linie. Sie wird von ihrem Volk dazu gedrängt, zu heiraten, obwohl sie sich mit ganzer Kraft dagegen sträubt. Sie scheitert daran, ihre Rolle als Königin und ihr Privatleben unter einen Hut zu bekommen und stellt daher charakterlich definitiv die Schwächere der beiden dar. Ihre Entscheidungen sind stets von den Meinungen ihrer Berater abhängig. Ihre Unsicherheit ist genau der Grund, aus welchem sie sich so von Maria bedroht fühlt. Es wirkt fast, als säße ein Kleinkind auf dem Thron von England. Ein Kind, welchem unglaubliche Macht in die Wiege gelegt wurde, welches jedoch nicht weiß, wie es diese Macht effektiv einsetzen kann.

Die Persönlichkeiten der beiden geben also viel Stoff zum Analysieren und sind sehr komplex. Aber auch die Nebencharaktere sind durch die Bank weg gut ausgearbeitet und leiten die Story. Maria stehen in ihrer Not viele Verbündete zur Seite, die für ihre Freilassung kämpfen. So beispielsweise der schon zuvor erwähnte Graf von Leicester, einer von Elisabeths drei Beratern. Der Graf hat eine Vorgeschichte mit Maria und verfolgt im gesamten Drama seine eigenen Absichten. Faszinierend ist es jedoch, dass Schiller es schafft, ihn aufgrund seiner eigenen Absichten als zeitweiligen Verbündeten Marias in die Handlung zu integrieren. Doch wie lange hält wohl die Unterstützung aus den Reihen des Feindes an, wenn sich die Schlinge um den Hals des Egoisten immer weiter zuzieht? Leicester steht bei der Frage um Marias Hinrichtung zwischen den beiden Parteien und hat seinen eigenen Vorteil im Blick. Er steht also stets auf der Seite, auf welcher er profitiert.
Die beiden anderen Berater Elisabeths nehmen im Gegensatz zu ihm unterschiedliche, aber feste Standpunkte ein. Der zweite Berater von Elisabeth, der Graf von Burleigh, ist für eine sofortige Hinrichtung Marias, da sie droht den Staat zu spalten. Er setzt sich bei jeder Gelegenheit für ihren Tod ein und hat nur das Wohl des Landes im Blick, auch wenn er dafür über Leichen gehen muss.
Der letzte und auch weiseste Berater Elisabets, der Graf von Shrewsbury, während des Dramas auch Talbot genannt, zeichnet sich vor allem durch seinen Gerechtigkeitssinn aus. Er ist gegen eine Hinrichtung, solange die Beweise nicht eindeutig sind. Talbot ist der Charakter im Drama, welcher am ehesten dem Menschenbild Schillers entspricht. Auch ist er kein willenloser Untertan Elisabeths, sondern unterstützt diese nur so lange, wie er ihre Entscheidungen vertreten kann.

Das Ende des Dramas ist unscheinbar. Während es zuerst unspektakulär und langweilig wirkt, wird schnell klar, dass es sehr gut getroffen ist. Es beendet die Geschichte um die beiden Königinnen effektiv und lässt keine der beiden als Gewinnerin aus der Handlung herausgehen. Der Siegerpartei wird so ihr Sieg madig gemacht und beide Königinnen stehen am Ende des Dramas als Verliererinnen da, auch wenn es in ihrer Rivalität eine Gewinnerin gibt. Die Siegerpartei wird hierbei aber so stark degradiert, dass sie nicht mehr wirklich als eine solche bezeichnet werden kann. Die Verliererin der beiden schließt am Ende jedoch Frieden mit sich selbst und nimmt ihr Schicksal an.

Das gesamte Drama wirft als Leitfrage auf, wie weit man selbst geht, um seine eigenen Ziele zu erreichen. Diese Frage wird an dem Verhalten mehrerer Charaktere im Drama veranschaulicht. Manche Charaktere schaffen es sich selbst zu verwirklichen, während andere als Negativbeispiel herhalten und sich im Laufe der Handlung selbst verlieren. Diese Frage ist auch heutzutage noch relevant und auf verschiedenste Bereiche des Lebens anwendbar. Hiermit wäre ein positives Argument dafür gegeben, „Maria Stuart“ heutzutage noch zu lesen, da zusätzlich zu der eigentlichen Geschichte noch ein Lernfaktor hinzukommt: Die einzelnen Charaktere sind innerhalb der Handlung moralischen Situationen ausgesetzt, die sich öfter auf das wahre Leben beziehen lassen, als es zunächst den Anschein hat.

Was lässt sich also zusammenfassend auf die Frage antworten, ob sich das Drama im gesamten empfehlen lässt? Der wichtigste noch nicht angesprochene Punkt zuerst. Es handelt sich um ein Drama, nicht um einen Erzähltext der Gattung Epik. Es handelt sich um keinen Roman mit großartigem Unterhaltungswert oder spannenden Wendungen in der Story, zumindest nicht im Allgemeinen. Wer auf eine Geschichte hofft, bei der man sich vor Spannung an den Nägeln kaut, der wird bei Maria Stuart leider nicht auf seine Kosten kommen. Doch ein solches Werk möchte Maria Stuart auch gar nicht sein. Es handelt sich um ein historisches Stück, welches oft auf Analysen und Deutungen setzt. Nicht ohne Grund wird das Buch vor allem als Unterrichtsmaterial verwendet. Die einzelnen Charaktere sind vielschichtig, die Gesellschaft zur damaligen Zeit wird gut widergespiegelt und die Handlung basiert zu großen Teilen auf einer wahren Begebenheit. Doch wie lässt sich Maria Stuart bewerten, wenn man es als das sieht, was es ist, ein Drama und damit ein Text, der für die Bühne bestimmt ist?

Die Antwort ist einfach. Maria Stuart stellt sich als ein sehr gutes Drama heraus. Der Konflikt der beiden Königinnen wird durch spannende Intrigen, gute Charaktere und interessante übergeordnete Themen wie Religion zur damaligen Zeit oder die Rolle der Frau extrem gut verkauft und hat mir gut gefallen. Wer also ein historisches Werk sucht, welches trotzdem mit einer wichtigen Grundmenge Spannung daherkommt, dem kann ich Maria Stuart wärmstens ans Herz legen. Bis zum letzten Moment ist nicht klar, ob das angedeutete Ende nun wirklich in Kraft tritt und ob die Schlüsselfiguren wirklich so aus der Handlung entlassen werden, wie es zunächst den Anschein macht. Das Drama hat mir wesentlich besser gefallen als andere bekannte Werke derselben Gattung, wie beispielsweise „Kabale und Liebe“, welches ebenfalls aus der Feder von Schiller stammt. Ein weiterer wichtiger Punkt ist es, dass das Drama nicht besonders lang ist. Dies könnte vielleicht doch ein Grund sein, das Drama auch außerhalb des Unterrichts zu lesen. Mit gerade ein wenig mehr als hundert Seiten existieren keine Stellen, die sich ziehen oder die dem Leser die Motivation nehmen. Alle Stellen sind wichtig, um die Charaktere glaubhaft darzustellen und die Handlung voranzutreiben. Ich kann also jedem, für den ein Werk der Rubrik Drama kein Ausschlusskriterium ist, „Maria Stuart“ nur wärmstens empfehlen. Es handelt sich um ein Stück, welches noch langfristig relevant sein wird und welches auch weiterhin unterrichtet werden sollte. Und eins muss man dem Drama lassen. Das finale Aufeinandertreffen der Königinnen ist trotz der sonst etwas auf der Strecke gebliebenen Spannung verdammt unterhaltend und amüsant!

 

Tim H., Deutsch-LK (Jahrgangsstufe 12)

 

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