Nein, es gab keinen Mord aufzuklären, noch nicht einmal ein verschwundenes Federmäppchen war am Ende dieses Vormittags zu ermitteln. Die Kommissare Dimitris Avramopoulos, Corina Cretu und Christos Stylianides alias Ernst Fast, Simla Sayilir, Lara Klinkner, Avien Weber, Tim Scholz und Thomas Krieger waren Mitglieder der Europäischen Kommission. Wir befinden uns in einem Planspiel, einem Spiel, bei dem Schülerinnen und Schüler in die Rollen von Politikern schlüpfen, um gemäß ihren „Rollenkarten“ ähnlich wie echte Politiker Entscheidungen zu treffen.
Anlässlich des „Europatags“ (Jahrestag der Unterzeichnung des Vertrags über die „Montanunion“) führten die 10. Klassen des Mittelrhein – Gymnasiums Mülheim – Kärlich am 18. Mai ein Europaplanspiel durch. Normaler Unterricht wurde eingetauscht gegen einen Vormittag mit Diskussionen, Verhandlungen und Abstimmungen über die Flüchtlingsthematik in Europa.
Insgesamt waren über 70 Rollen zu besetzen. Damit diese Großveranstaltung reibungslos verlief, hatten die betreuenden Lehrer Frau Freund, Frau Westerberg, Herr Dr. Eisbrenner und Herr Krampe sowie die Kommissare und die Pressegruppe bereits im Vorfeld mehrere Male Organisationstreffen durchgeführt.
Ebenfalls schon einige Tage vor dem Planspiel hatten die sechs Kommissare einen Entwurf für eine EU-Verordnung (= Gesetz der EU) auf den Weg gebracht. Ob Flüchtlinge auf die Mitgliedsstaaten der Union verteilt werden sollen oder nicht bzw. nach welchen Kriterien eine Verteilung erfolgen soll. Das waren die zentralen Fragen, für die sie Lösungen vorschlugen. Nach welcher Frist Flüchtlinge in den Aufnahmestaaten eine Arbeit aufnehmen dürfen und wie die Unterbringung erfolgen soll: In zentralen Unterkünften oder dezentral in anzumietenden Wohnungen.
Den bis Spielbeginn streng geheimen Verordnungsentwurf stellten die Kommissare den Vertretern der Regierungen sowie den Repräsentanten der Regionen in einer gemeinsamen Sitzung vor. Zuerst versuchten sich die Regierungen und die Regionen der jeweiligen Ländern auf eine gemeinsame Linie zu einigen, anschließend trafen sich die Regierungsmitglieder im Ministerrat und parallel dazu die Regionen im Ausschuss der Regionen, um eine Einigung zu erzielen. Dies erwies sich als schwierig, da vor allem Polen sich vehement gegen eine gerechte Verteilung von Asyl suchenden Menschen innerhalb der Mitgliedstaaten wandte. Auch Italien tat sich zunächst schwer. Vor allem bei der Arbeitsaufnahme der Geflüchteten gab es zuerst noch deutliche Vorbehalte der wirtschaftlich benachteiligten Regionen im Süden. Derweil tauchte hier und dort die Presse auf, interviewte einen Innenminister, einen Kommissar oder betreuenden Lehrer.
Schließlich nach zähem Ringen und intensiven Verhandlungen hinter den Kulissen der entscheidende Kompromiss im Ministerrat. Der ging allerdings ziemlich auf Kosten der finanzstärkeren EU-Staaten. Denn die Verteilung der Schutz suchenden Menschen soll nun nur zu einem kleinen Teil nach der Einwohnerzahl der aufnehmenden Länder, zum größeren Teil aber nach deren BIP pro Kopf gehen. So konnte schließlich auch der polnische Innenminister Janos Starczyk dem Kompromiss zustimmen. Deutlich schneller wurde der Kompromiss zur Arbeitsaufnahme der Geflüchteten gefunden (nach sechs Monaten). Bei der Unterbringung setzten sich die Länder und Regionen durch, die die Entscheidung darüber nicht EU-einheitlich, sondern selber individuell regeln wollen.
Den Abschluss bildeten die von der Pressegruppe produzierten Fernsehnachrichten, die die wichtigen Ereignisse und Personen des Tages ins rechte Licht rückten und damit den Vormittag noch einmal medial Revue passieren ließen. „Eine anstrengende, aber echt lohnenswerte Sache“, so das Fazit von Kommissionspräsident Tim Scholz. „Komplizierte politische Verfahren bleiben viel eher im Gedächtnis, wenn man sie selber durchlebt, als wenn man nur ein Schaubild im Buch betrachtet“, stellte Herr Eisbrenner fest, „insofern war das „Spiel“ allemal besser als sechs Stunden Unterricht“. Eine Weiterführung im kommenden Schuljahr ist vorgesehen. So werden auch nächstes Jahr wieder die Kommissare, Innenminister und Woiwoden die Gänge des Mittelrhein-Gymnasiums bevölkern.
A. Eisbrenner
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